Bericht aus dem Keller
Im Keller. Das wolle er nicht hören: im Keller. Könne missverständlich sein. Bei ihm ginge es im Keller ins Helle. Nur nebenbei: sein Vater sei aus dem Erzgebirge. Bergwerk. Finsternis drinnen und draußen. Der Mensch als Schlucht.
Als wir die Treppe hinunter gingen, wurde es heller durch weiße Stufen. Weißes Bergwerk, dachte ich.
Gips. Das erste, was ich sah. Gips in Bewegung, ein Kopf, Schultern, die sich drehen, sehnen. Als sollten sie, als wollten sie. Aus der Schulter, aus dem Kopf hinaus. Aus dem Richtigen, Aufrechten. Nach rechts, links. Soweit es geht, den Hals drehen, biegen, nicht verbiegen, den Kopf, das Auge zur Seite. Auch zurück. Wenn es passt. Aus dem Weiß, aus dem Augenblick heraus in Farbe, in Zeit. Das, sagte er, das sei, und er hob dabei die Hand, legte sie, wie zufällig, strich ein wenig über das Weiß, blieb an einer Mulde hängen, legte den Daumen ab, nach Gewohnheit leicht, das sei seine Sache, sein tägliches Brot. Gipsformen. Besser noch Wachs, am besten Wachs mit Kartoffelmehl. Diese Mischung habe er, nach langem Kneten, gefunden, nach jahrelangem Mischen, das sei weich und widerständig zusammen, genug, um so zu bleiben, eine Zeitlang. Wie hausfräulich, wie hausmännlich, dachte ich. Das Mehlwachs sah blind aus, wie etwas, was noch leuchten muss.
Begonnen habe er als Kind, das liege in ihm. Wie Bewegung. Wie Mischen, sagte er. Er sehe aus dem Inneren. Das Auge dreht sich, soweit es kann, zurück. Der Blick kommt aus der Tiefe, der Blick zurück kommt aus der Wirbelsäule. Aus dem Wirbelbergwerk, dachte ich.
Er arbeite daran, schon immer, wenn man das sagen könne: immer. An der Materie. Die Form finden. Den Menschen finden. Nur Wachs, zu schnell, würde es hart. Es harrt nicht aus, es verhärtet. Michelangelo, Marmor, diese Kraft hätte er nicht. Prometheus. Unglückliche Helden. Und warum. Denk an Giacometti. Kleiner werden, das Unauffällige formen. Aufzuhören wissen.
Dann ging er zu einer Figur. Strich darüber, riss ihr ohne Mühe den Kopf ab, so als sei es nichts. Ich erschrak, aber er nahm den Kopf in die Hand, knetete ein wenig an den Augenhöhlen, wie in Süße, strich über Wangenknochen, trieb die Miene weiter, weg vom Gleichen, aus der Gleichgültigkeit in einen längeren Blick, ins Starren. Wohin. Blicksuche. Auch meine Glieder sollten schmelzen, dachte ich, wenn es ginge, wenn ich ginge. Wissen, wann. Zeit lassen, Raum geben, Augen finden.
San Marco Handpresse. Berichte aus der Werkstatt, November 2010, 21.